Selbstverständnis vom 9.6.2020
Unser Ausgangspunkt war das schlagartige Auftauchen einer neuen Realität, eines Lebens mit dem Virus. Wir sind mit dem Radio Nordpol gestartet, um in der Infodemie eine kritische Öffentlichkeit zu ermöglichen, damit in den Zeiten der Zwangspause der (Sub)Kultur- und Politikbetrieb weiterhin agil bleibt. Wir haben dezentrale Aufnahmemöglichkeiten an die uns nahestehenden kritischen Milieus herangetragen. Wir sind immer noch überrascht und gerührt, welche Explosion von kreativer Energie das Projekt freisetzt.
Der anfängliche Schock, die Paranoia & Panik, sind mittlerweile einer trügerischen »neuen Normalität« gewichen. Genauer wäre die Situation als eine Denormalisierung zu bestimmen, die je unterschiedliche pandemische Bedingungen schafft. Die imaginierte deutsche Idylle ohne Lockdown und Intensivbettenüberlastung ist dem Zufall der Virusausbreitung geschuldet und durch sozialstaatliche Abfederung aufgrund der ökonomisch hegemonialen Stellung in der EU erkauft. So unterscheidet sich die Situation hierzulande von Norditalien, Belgien, Großbritannien, New York oder Indien. Andere Orte befinden sich erst noch in der dynamischen Phase der Entwicklung. Ihr Verlauf ist nicht planbar – allen Modellrechnungen zum Trotz. Statt einer Welle haben wir es mit unberechenbaren Wellenbewegungen zu tun. So gilt es, solidarische Perspektiven zu entwickeln und für eine gemeinsame Suche nach einem Way-Out aus Krisenverwaltung und Kapitalismus lokale und globale Prozesse zusammenzudenken.
… jenseits von corona …
Es geht mit dem Radio nicht mehr (nur) um Corona. Das Ruhrgebiet und NRW brauchen schon länger ein übergreifendes linkes Medium. Als einziges Bundesland ohne ein Freies Radio befinden wir uns vielleicht am Anfang einer nachholenden Entwicklung? – Das hängt auch von Dir ab! Momentan verfolgen wir eine Stabilisierung des Radiobetriebs und probieren uns an einer konstruktiven und kollektiven, sich erhaltendenden Struktur des Mediums. Dieses hat in der kurzen Zeit politische und kulturelle, aktivistische und künstlerische Sphären stärker vernetzt. Wir wünschen uns in dieser Perspektive weiterzuarbeiten: Musik- und Kindersendungen, Gesprächsformate und Geschichten, Demoaufrufe und Gedenkpolitik, Lyrik und Laberei sollen durch das Radio miteinander in Kontakt kommen können.
Weil du auch eine Arbeiter:in bist
Wichtig ist uns, dass der Schritt von der Zuhörer:in zur Produzent:in ein kleiner ist, indem wir eine offene Struktur bleiben und Interessierte zu eigenen Produktionen befähigen.Gegen die Wiederkehr des Immergleichen gilt es jener Segregation von Bereichsthematiken und Schubladeninhalten, die nur entfremdete gesellschaftliche Teilungen weitertreiben, ebenso entgegenzuwirken wie der Hierarchie zwischen Sender:in und Empfänger:in.Wir wollen aus den segregierten Öffentlichkeiten herauskommen und Erfahrungen und Sichtweisen der Krise kollektivierbar machen. Wir orientieren uns dabei an marginalisierten Milieus und begreifen uns als Teil dieser, die mit je unterschiedlichen Voraussetzungen in die Krise hineingehen und zum Teil stärker den Folgen dieser Pandemie ausgesetzt werden.
Was fehlt dem Radio? – Von der Produzent:innen-Plattform zu einem Netzwerk der Diskurse
Erste Schritte der Hör- und Sichtbarmachung von linken Diskursen, Erfahrungen und Reflexionen, die ansonsten in ihren eigenen Bereichsöffentlichkeiten verblieben wären, sind gelungen. Schwerpunkte des bisherigen Programms sind Antifaschismus, Antirassismus, Feminismus, Gesundheits- und Sozialpolitik, Kunst & Kultur sowie ein Kinderprogramm. Wir wünschen uns eine sich innerhalb von NRW intensivierende, politische wie räumliche Erweiterung des Radius des bisherigen Produzent:innenkreises, um einen lebendigen Möglichkeitsraum für kritische, pluralistische Debatten und wechselseitige, solidarische Bezugnahmen zu erhalten.
Welchen Gebrauchswert der Livestream für Radio Nordpdol haben kann, gilt es weiterhin zu erproben – er entfaltet sich nicht durch die Anhäufung von Klicks und Likes, sondern in der Schaffung einer dauerhaften Hörstation. Wünschenswert wären in Zukunft eine Musikredaktion sowie der Ausbau von Veranstaltungsdokumentationen – aber die Voraussetzung dafür wäre, dass unsere Redaktion wächst. Wir freuen uns auf die nächste Phase!
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Email: radio@nrdpl.org