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Vortrag von Felix Klopotek u. Gruppe Polaris
Die materialistische Kritik muss sich selbst materialistisch legitimieren: Was sie erklärt – und wie sie es erklärt –, muss auch auf sie zutreffen; die materialistische Kritik ist somit Gegenstand ihrer selbst.
Das ist eine Aussage hart an der Banalität. Dennoch besteht in der Aufstellung und Durchführung dieses Prinzips die (erste) große Leistung des kommunistischen Aktivisten und Philosophen Karl Korsch (1886-1961). 1923 legte er die Selbstanalyse des Materialismus in seinem damals rasch berühmt gewordenen Werk »Marxismus und Philosophie« vor, das heute als Gründungsdokument eines »westlichen Marxismus« kanonisiert ist und also nicht mehr gelesen wird. Was als Prinzip ziemlich dürr und abstrakt daherkommt, erwies sich praktisch angewendet als hochbrisant. Schon vor 100 Jahren galt zahlreichen sozialdemokratischen Revisonisten und Bereicherern das Marx’sche Werk als Torso, Baustelle, unfertig, voller Konstruktionsfehler. Indem Korsch herausarbeitete, dass sich die Kritik von Marx bestimmten historischen Entstehungsbedingungen verdankte und nur vor dem Hintergrund einer bestimmten Entwicklungsphase der Arbeiterbewegung zu verstehen ist, konnte er auch zeigen, dass für die Marx-Revidierer die gleichen Vorgänge zutreffen: Wo sie auf Fehler und Unzulänglichkeiten der Marx’schen Kritik hinweisen, sprechen sie in Wirklichkeit von sich und ihrer Zeit. Oder besser: die historischen und gesellschaftlichen Umstände sprechen aus ihnen. Damit hatte Korsch Marx den Revisionisten entwunden, und das Werk war wieder offen für die unbefangene Aneignung einer aktivistischen, radikalen Arbeiterbewegung. So sein Kalkül.